Simone Rieser Kurzmann über das Philosophieren über Gott und die Welt mit Kindern und Jugendlichen.
Junge Menschen sind neugierige Wesen. Sie setzen sich mit ihrer Welt auseinander, indem sie Fragen stellen, die von den Erwachsenen vielfach nicht ernst genommen oder gar als lästig empfunden werden. Doch gerade im „Warum?“ passiert das Nachdenken über essentielle Fragen, lernen Kinder ihre eigene Sprache mit Gott und für die Welt zu finden und das auszudrücken, was sie denken und fühlen. Wie ungemein interessant das sein kann, wissen all jene, die schon einmal mit einem Kind in einen Diskurs über scheinbar banale Alltagsdinge geraten sind.
Zwischen Desinteresse und Unmut schwankende Reaktionen der Erwachsenen können aber dazu führen, dass im Jugendalter verhalten reagiert wird, wenn es darum geht, Fragen zu stellen oder eigene Ideen mitzuteilen. Die Bereitschaft zum Gespräch ist bei Kindern in der Regel ausgeprägter als bei Jugendlichen. Daher müssen Barrieren der Unsicherheit und des Zweifels beim Theologisieren und Philosophieren mit jungen Menschen abgebaut werden. Sie sollen in ihrer Sinnsuche unterstützt werden und Antwort-Angebote auf ihre Fragen erhalten. Sie haben ein Recht darauf, dass ihre Fragen wahrgenommen und ihre Gedanken respektiert werden. So lernen sie die elementare Kulturtechnik der Zuhörens und Reflektierens, eine emphatische Bedingung des respektvollen Umgangs miteinander - ebenso wichtig wie das Lesen, Schreiben und Rechnen. Sie erlangen die Fähigkeit, die allgemeinen Grund- und Sinnfragen des Lebens zu stellen: „Woher kommen wir?“, „Wozu leben wir?“ und noch viele mehr.
Das Thema Religion ist mit vielen Vorbehalten behaftet. Gerade die Glaubenslehre ist von ihrer Intention her auf einen Dialog ausgerichtet, den alle führen können, auch Kinder und Jugendliche. Viele Jahrhunderte lang wurde nur dem erwachsenen Menschen zugebilligt, selbständig denken zu können. Erst im vorigen Jahrhundert wurden, ausgehend von den USA, Heranwachsende endlich auch als Suchende und Fragende wahrgenommen. Und es sind die Kinder und Jugendlichen, die den elementaren Fragen, wie etwa der Gottesfrage, meist sehr aktiv und ohne Scheu begegnen, wenn sie die Gelegenheit dazu erhalten. Wie kann Theologisieren und Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen funktionieren? Einerseits muss echtes Interesse für die Fragen vorhanden sein, denn wenn mich nicht interessiert, was mein Gegenüber denkt, werde ich mich auf ein konkretes Gespräch nicht einlassen können. Andererseits benötigen Mädchen und Jungen genügend Zeit in einem gemeinsam vereinbarten Rahmen, um ihre Fragen zu formulieren, ebenso bedarf es der Geduld des Gegenübers diese zu erwarten.
Es kann bisweilen hilfreich sein, die Gruppe zu involvieren und dadurch das Thema zu öffnen. Alle Fragen sollten Platz finden und die Mitsprache sollte jenen, die es wollen, auch ermöglicht werden. Wenn das Gesagte nicht nur beobachtet und reflektiert, sondern auch entsprechend dokumentiert wird, kann man zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal darauf zurückkommen. Das Theologisieren und Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen kann einen wichtigen Beitrag zur Identitätsfindung leisten. Es fördert die Entwicklung einer spezifischen religiösen und philosophischen Sprache ebenso wie das Aufeinander-Hören und stellt einen wesentlichen Baustein für die jungen Menschen dar, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).
Literatur zu diesem Thema:
Bahr, Matthias; Kropac, Ulrich; Schambeck, Mirjam (Hg.): Subjektwerdung und religiöses Lernen. Für eine Religionspädagogik, die den Menschen ernst nimmt. München: Kösel 2005.
Freudenberger-Lötz, Petra: Theologische Gespräche mit Jugendlichen. Erfahrungen – Beispiele – Anleitungen. München: Kösel 2012.